Stefan Doernberg 8 Mai 45
Stefan Doernberg - So erlebte ich den 8.Mai
Den 8. Mai 1945 erlebte ich in Berlin, war Augenzeuge des historischen Ereignisses, als die Führung des OKW in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation unterzeichnen musste. Als deutscher Antifaschist, der im Range eines Leutnants in der 8. Gardearmee an der letzten großen Schlacht des Krieges teilgenommen hatte, war ich beauftragt worden, ein Tonaufzeichnungsgerät aus dem Haus des Reichsdeutschen Rundfunks in der Masurenallee im Berliner Westen zum Stab von Marschall Shukow zu bringen. Wir fuhren durch das so furchtbar zerstörte aber schon wieder friedliche Berlin.
Für mich hatte der Krieg eigentlich schon am 2. Mai aufgehört. An diesem Tag hatte ich den Befehl von General Weidling zur Einstellung aller Kampfhandlungen zunächst auf einer Schreibmaschine abgetippt und dann durch einen Lautsprecher in verschiedenen Stadtteilen verlesen. So erfuhren Zehntausende deutsche Soldaten die viel zu spät ergangene Anweisung ihres Befehlshabers, dass jeglicher weiterer Widerstand sinnlos sei. Recht merkwürdig empfand ich die von General Weidling gewählte Begründung. "Der Führer hat sich selbst entleibt und damit uns, die wir ihm die Treue geschworen hatten, im Stich gelassen."
Ich hatte den Krieg seit dem 22. Juni 1941, dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, frontnah, wenn auch mit einigen Unterbrechungen, erlebt. Von seinen Urhebern war er als das schlimmste Verbrechen des 20. Jahrhundert geplant und dann pervers und brutal umgesetzt. Flüchtlingselend und verbrannte Erde sah ich von Moskau und Stalingrad bis nach Polen, dann auch auf deutschem Boden. Noch schlimmer war der Anblick des Vernichtungslagers Majdanek, und anderer KZs und des Ghettos von Lodz. So sollte der erweiterte "deutsche Lebensraum" für die europäischen Völker aussehen, denen höchstens das Schicksal von Arbeitssklaven des Großkapitals des "Dritten Reichs" zugedacht war. Schon deshalb betrachtete ich die Befreiungstat der Antihitlerkoalition, die vor allem mit so viel Opfern der Völker der UdSSR erkämpft werden musste, als Rettung der menschlichen Zivilisation vor dem ihr drohenden Absturz in die Barbarei.
Im Mai 1945 bewegte mich aber auch die Zukunft, die so gestaltet werden sollte, dass der Krieg endlich aus dem Leben der Völker verbannt würde. Jedes Volk, auch das deutsche, sollte nach seiner Facon leben, doch unbedingt eine Dominanz jener großkapitalistischen Kräfte verhindern, die in ihrer unermesslichen Profitgier Kriege entfesseln, schon an ihrer Vorbereitung maßlos verdienen, die Hauptschuld für den Zweiten Weltkrieg getragen und auch das Hitlerregime in den Sattel gehoben hatten. Diese Erkenntnis griff 1945 auch in Deutschland schneller um sich, als ich es zunächst angenommen hatte. Heute sind wir von der Beherzigung dieser eminent wichtigen Lehre von 1945 leider wieder weit entfernt.
Stefan Doernberg